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„Ich habe dich angerufen, aber du bist nicht rangegangen“

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Andrea Schmidt
DialogMomente

„Ich habe dich angerufen, aber du bist nicht rangegangen“

Beratung & Coaching Zerbst
Veröffentlicht von Andrea Schmidt · Dienstag 27 Mai 2025 · Lesezeit 2:15
Die Mehrdeutigkeit des menschlichen Verhaltens zwingt den Menschen von vornherein und immer schon zur Deutung und zum Vergleich verschiedener Deutungsmöglichkeiten (Soeffner in „Die Auslegung des Alltags“). So gibt es wohl keine allgemeingültige Antwort. Je nachdem, wer den Satz in welchem Kontext wie zu wem spricht und wie derjenige ihn hört und versteht – mal so, mal so.

Das, was der eine meint und in den Medien Gestik, Mimik und Sprache expressiv zur Darstellung zu bringen versucht, muss der andere über diese medial vermittelten Zeichen rekonstruieren. Die Internalitätsschranke – niemand kann in die psychische Innenwelt des anderen schauen- erlaubt uns nur eigene mentale Modellbildungen über das vermeintliche „Meinen“ des anderen, über seine mögliche mentale Innenwelt. So beruht die Konstruktion dessen, was gemeint sein könnte immer auf den mitgebrachten eigenen Anteilen. Verstehen und Missverstehen auf der Rezipientenseite werden hier zu Kriterien im Abstimmungsprozess mit dem Gemeinten auf der Sprecherseite.

Wie verstehe/ missverstehe ich diesen Satz?
Was hier bei mir schwingt, ist die Bewertung, die ich darin höre. „Du bist nicht rangegangen“. Ich höre sofort eine Absicht, die mir unterstellt wird: du warst da, hast das Telefon gehört, du hast gesehen, wer anruft und hast dich bewusst entschieden, nicht ranzugehen.

Ich komme sofort in ein Nicht-Ok- Gefühl, bin ärgerlich gestimmt, möchte diesen vermeintlichen Vorwurf zurückweisen und mich gegen diese Unterstellung verteidigen.
Was, wenn ich jetzt über dieses Stöckchen springe, dem ersten Impuls folge, wütend über diese Unterstellung werde und mich rechtfertige? Erreiche ich dann meinen Zielzustand: Verständigung?

Was wäre zu tun, damit ich wieder in ein OK-Gefühl komme?
Ich müsste meine Verstehensbemühungen so kalibrieren, dass ich dem vermeintlich Gemeinten noch zustimmend folgen kann. Das bedeutet Nachfrage nach dem Sinn des Gemeinten. Da aber das Sinnpotential des Gemeinten fast unendlich sein kann und das Nachfragen dann ggf. ausufern könnte und das wiederum möglicherweise Verstimmung beim Gegenüber auslöst, stellt sich die Frage der Relevanz. Kommt es hier und jetzt tatsächlich darauf an, einen Konsens herzustellen?

Ich glaube, ich überhöre diesen Satz, nehme kurz die negative Stimmung in mir wahr, entscheide mich, nicht darauf zu reagieren und widme mich dann dessen, was der eigentliche Grund für den Anruf war.

Und damit ich andere nicht unbeabsichtigt ebenso in Schwingung versetze, nutze ich statt dessen den Satz:
„Ich habe dich angerufen, konnte dich aber nicht erreichen“


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